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17.04.2020

Brief zur geplanten Schulöffnung

Foto: Unsplash / Glenn Carstens-Peters (@glenncarstenspeters)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Beschlüsse von Bund und Ländern vom 15.4.2020 zur Kontaktsperre und vor allem zum Schulbeginn machen deutlich:

Die von vielen Seiten geäußerten Bedenken zur voreiligen Öffnung der Schulen sind gehört worden. Die Aussagen der Virologen werden weiterhin ernst genommen, die mangelnde Umsetzungsrealität von Hygieneplänen hat sicher zudem ihre Wirkung getan. Dem MSB kann es allerdings nicht schnell genug gehen. Wir haben schon die ersten Schülerinnen und Schüler in der Schule, bevor Hygienepläne auch nur im Ansatz organisiert und umgesetzt werden können.

Nicht nur wir Schulleute wissen inzwischen, dass auch die räumlichen und personellen Ausgangs-positionen der meisten Schulstandorte nicht geeignet sind, die Szenarien einer schnellen und vielfach auch schrittweisen Schulöffnung zu realisieren.

Es entsteht jetzt eine kurze Galgenfrist für die Schulträger umgehend alle Schulstandorte mit den entsprechenden Ressourcen (Mundschutz, Desinfektionsmittel, ..., Reinigungspersonal!) auszustatten.

Wir alle hoffen, dass dies gelingt.

Viele von uns aber befürchten aus der Erfahrung, dass dies nicht ohne Komplikationen vonstattengehen wird. Schließlich handelt es sich um dieselben Schulträger, die schon unter normalen Alltagsbedingungen mit den Rahmenbedingungen für Sauberkeit und Hygiene ihre Schwierigkeiten haben.

Und dann?

Sicher wird das MSB auch darauf eine Antwort haben. Nur es wird auch wieder deutlich werden, dass ein Zugriff des MSB auf die Kommunen nicht möglich ist. Dann kann es sein, dass die alleinige Verantwortung für die Diskrepanz zwischen Vorgaben und Realität wieder bei den Schulleiterinnen und Schulleitern liegt.

Wir, die Schulleiterinnen und Schulleiter des Landes NRW, sehen sich vor Ort mit dem Bildungsanspruch der Schülerinnen und Schüler und deren Eltern und berechtigter Weise auch dem Anspruch auf Bildungsgerechtigkeit konfrontiert. Wir Schulleitungen werden damit wieder für etwas in die Verantwortung genommen, das die Schulen nicht verursacht haben und auf dessen Rahmenbedingungen die Schulleiter*innen keinen Zugriff haben. Die räumliche Ausstattung der Schulgebäude sowie die mangelnde Lehrerversorgung sind schon unter "normalen" Alltagsbedingungen in vielen nordrheinwestfälischen Schulen nicht geeignet, die Ausbildungsordnungen der unterschiedlichen Schulformen entsprechend umzusetzen.

Verwunderlich allerdings, wenn die Ministerin erklärt, dass „das MSB den Schulen drei Tage Zeit gebe...“

Wir sehen dies als Anmaßung, als ein völlig unangemessenes Vorgehen im Umgang mit Schulen und auch Schulträgern und den Versuch, nicht Machbares in diesem Stil zu dekretieren. Die Missstände in den Schulen in NRW sind hinlänglich bekannt. Jetzt kommt der Versuch die Verantwortung für eine voraussehbare Gefährdung von Menschenleben auf nachgeordnete Dienststellen zu verschieben.

Die SLV NRW möchte alle Schulleiterinnen und Schulleiter dafür sensibilisieren, die Umsetzung der Hygienevorschriften und der Rahmenbedingungen für den Gesundheitsschutz von Schülerschaft und Personal sehr genau zu prüfen. Die SLV NRW rät allen Schulleitungen, im Zweifelsfall keine Maßnahmen zu vertreten und umzusetzen, die nicht zu 100 Prozent den Vorgaben entsprechen. Zudem dürfen wir  nicht zulassen, dass die letztendliche Verantwortung für die Wiederaufnahme des Unterrichts allein bei den Schulleitungen abgeladen wird. Der Gesundheitsschutz steht in diesen Zeiten für uns alle an erster Stelle. Dafür muss es nachvollziehbare und transparente Regelungen mit klaren Verantwortlichkeiten geben. Diese dürfen im Hinblick auf die Komplexibilität der Situation auf keinen Fall allein bei den Schulleiterinnen und Schulleitern angelagert sein.

Als Vereinigung der Schulleitungen aller Schulformen in NRW möchten wir vermeiden, dass Sie, in ihrer Rolle als Schulleiterin und Schulleiter, sich später für etwas rechtfertigen müssen, das sie in bester Absicht gemacht haben und so das „Unmögliche“ möglich gemacht haben.

Diese Situation kennen wir aus der Vergangenheit zu Genüge. Lassen Sie in den entscheidenden Fragen den Ball da, wo er gespielt werden muss: bei den Schulträgern, den Schulaufsichten und dem MSB!

Dokumentieren und geben Sie alle Hindernisse, Schwierigkeiten und die Unmöglichkeit der Einhaltung von Vorgaben an diese weiter. Weisen Sie hin, nerven Sie, insistieren Sie, remonstrieren Sie!

Machen Sie Schulträgern und allen Stufen der Schulaufsicht nachdrücklich deutlich, wenn Sie die Verantwortung für Rahmenbedingungen, Verfahren und Abläufe in Ihrer Schule nicht tragen können.

Darin sehen wir die Aufgabe von Schulleitungen.

Darin sehen wir Ihre Möglichkeit, Verantwortung für die Gesundheit aller in Ihrer Schule zu übernehmen..

Lesen Sie weiter:Eine Kollegin beschreibt eindringlich ihre Situation zwischen allen Stühlen

 

Ein Gedanke zum heutigen Schluss:

Es gibt im Umfeld der medizinischen Institute und der Politik durchaus Stimmen, die (noch nicht öffentlich) infrage stellen, ob Schulbetrieb - wie bis Februar gewohnt - überhaupt in absehbarer Zeit wieder organisiert werden kann.

Die KMK hat nun Zeit, aktuell die Fakten in ihre Überlegungen für einen schrittweisen Schulbeginn einzubeziehen. Vielleicht widmet man sich dort inzwischen ja auch diesen Gedanken.

Die SLV NRW verfolgt die weiteren Entwicklungen und Veröffentlichungen des MSB NRW und bleibt für Sie dran!

Mit kollegialen Grüßen

Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung Nordrhein-Westfalen e.V.