Stellungnahme zum Konzept „miteinander.stark.sicher – Gemeinsam für eine gewaltfreie Schule“
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1. Vorbemerkung und Kurzbewertung
Die SLV NRW begrüßt den Ansatz des Landes, gegen Gewalt an Schulen systematisch vorgehen zu wollen, indem präventive und unterstützende Maßnahmen im Rahmen einer Kooperation zwischen Schule, Polizei und außerschulischen Partnern implementiert werden sollen.
Die Konzeption setzt mit ihren drei Säulen zwar wichtige, praxistaugliche Akzente – in Form einer Unterstützung der Schulleitung und der Lehrkräfte durch Deeskalationstraining, durch präventive Unterrichtseinheiten und die polizeiliche Schulhofpräsenz – aber zugleich bleiben aus Sicht der Schulleitungen gewichtige Punkte offen: wieder einmal fehlt es an verbindlichen Ressourcen- und Personalzusagen. Klare Zuständigkeiten der Schulaufsicht bei Nachsorge und rechtlicher Absicherung und Unterstützung von Lehrkräften, die Opfer von Gewalt an Schulen geworden sind, sind nicht vorgesehen und die Verknüpfung mit bestehenden Schutz- und Gefährdungsinstrumenten bleibt unzureichend (z.B. das Nebeneinander von Notfallordner und zukünftigen Taschenkarten)
2. Positive Elemente
- Unterstützung des Personals: Deeskalationstraining, digitale Auftaktveranstaltungen und Taschenkarten können Handlungssicherheit und Orientierung geben.
- Unterrichtseinheiten, die gemeinsam mit Polizei und Lehrkräften durchgeführt werden, fördern gewaltfreies Konfliktverhalten.
- Schulhofgespräche mit der Polizei setzen auf Vertrauen und Präsenz statt auf Kontrolle.
Diese Maßnahmen sind geeignet, an bestehende Kooperationsstrukturen anzuknüpfen und das Schulklima zu stärken.
3. Zentrale Lücken
- Ressourcen: Gewaltprävention gelingt nur mit ausreichenden Personal- und Zeitressourcen (Schulsozialarbeit, Erhöhung von Anrechnungsstunden und konsequenter Arbeitszeiterfassung, Überprüfung übervoller Kernlehrpläne).
- Zuständigkeiten der Schulaufsicht: Von Gewalt betroffene Schulleitungen und Lehrkräfte benötigen verbindliche Unterstützung bei Nachsorge, rechtlichen Fragen und Strafanzeigen. Bisher bleibt die Verantwortung zu sehr bei der Einzelschule.
- Pilotphase: Die auf 20 Schulen begrenzte Pilotphase 2025/26 ist zu eng bemessen. Um die Übertragbarkeit sicherzustellen, braucht es klare Erfolgskriterien, systematische Datenerhebung und eine transparente Evaluation. Unklar bleibt zudem, wie die Schulen unterstützt werden sollen, die nicht am Pilotprojekt teilnehmen.
- Ordnungsmaßnahmen: Schulleitungen benötigen mehr Rückendeckung und Rechtsklarheit, um bei schweren Vorfällen konsequent handeln und den Schulfrieden sichern zu können.
- Waffenverbote: Messer und andere Waffen haben in Schulen keinen Platz. Hier braucht es präzisere gesetzliche Vorgaben und die rechtliche Möglichkeit, Taschen einsehen zu können.
4. Ordnungsmaßnahmen und Sicherung des Schulfriedens
In der Praxis stoßen Schulleitungen bei der Anwendung von Ordnungsmaßnahmen bei Gewaltvorfällen auf erhebliche Schwierigkeiten:
- Verfahren sind häufig zeit- und ressourcenintensiv.
- Schulleitungen fühlen sich bei konsequentem Vorgehen gegen Gewalt von der Schulaufsicht oft alleingelassen und sehen sich nicht selten Widersprüchen ausgesetzt.
- zudem belastend ist, dass nach einem Schulverweis die Verantwortung, eine neue Schule für die betroffene Schülerin oder den betroffenen Schüler zu finden, bislang faktisch bei der verweisenden Schule liegt.
5. Forderungen der SLV NRW
- Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Gewalt gegen Lehrkräfte“ mit dem Ministerium zur verbindlichen Klärung der angesprochenen Defizite.
- Ordnungsmaßnahmen – schulgesetzlich bessere Grundlage für konsequentes Handeln und generalpräventive Wirkung schaffen: Bei Gewaltvorfällen muss es Schulleitungen möglich sein, schneller und häufiger auch mit einem Schulverweis zu reagieren, wenn dies zum Schutz des Schulfriedens erforderlich ist. Damit wird die klare Botschaft gesendet, dass schwere Gewalt- oder Bedrohungsfälle nicht geduldet werden und entsprechende Maßnahmen konsequent folgen.
- Übernahme der Suche nach einer Anschlussbeschulung durch die Schulaufsicht: Nach einem Schulverweis als Ordnungsmaßnahme darf die Suche nach einer neuen Schule nicht länger Aufgabe der verweisenden Schulleitung sein.
- Mehr Rückendeckung und Unterstützung durch die Schulaufsicht, um Ordnungsmaßnahmen rechtssicher und konsequent durchsetzen zu können.
- Schulsozialarbeit als Landesaufgabe – so dass Schulsozialarbeit nicht von der Finanzstärke der Kommune abhängt oder die Umwandlung einer Lehrerstelle erfordert.
- Proaktiver Rechtsschutz durch den Dienstherrn – Schulleitungen und Lehrkräfte fühlen sich nach Gewalterfahrungen häufig allein gelassen, weil Anzeigen und Strafanträge meist ausschließlich von den Betroffenen selbst gestellt werden müssen. Wir fordern, dass der Dienstherr hier seine Fürsorgepflicht sichtbar wahrnimmt, indem er selbst aktiv wird und im Einzelfall auch Strafanzeige oder Strafantrag stellt. So wird deutlich gemacht, dass das Land seine Beschäftigten schützt und konsequent auf Gewalt reagiert.
- Evaluation und Überarbeitung des Notfallordners unter Beteiligung von Schulleitungen
- Sofortige Unterstützung für Nicht-Pilotschulen durch Basismodule, digitale Materialien und Beratungsangebote sicherstellen.
6. Fazit
Das Konzept setzt wichtige Impulse, reicht aber allein nicht aus, um die Gewaltproblematik an Schulen wirksam zu bewältigen. Entscheidend sind verbindliche Ressourcen, klare Zuständigkeiten der Schulaufsicht, proaktiver Rechtsschutz, einheitliche Meldewege und die Einbeziehung aller Schulen. Die SLV NRW bietet an, in einer Arbeitsgruppe mit dem Ministerium an praktikablen Lösungen mitzuwirken, damit Prävention, Intervention und Nachsorge verlässlich bei allen Schulen ankommen.